
Wir reden oft darüber, wie „herzlich“ Pflege ist. Wie einfühlsam, wie menschennah, wie empathisch. Aber kaum jemand redet darüber, was passiert, wenn das Herz irgendwann nicht mehr mitkommt. Wenn Nähe nicht mehr warm ist, sondern schwer. Wenn Berührungen nur noch Abläufe sind. Wenn das Mitgefühl aufhört – nicht, weil wir es nicht mehr wollen, sondern weil wir es nicht mehr können.
Viele in der Pflege frieren – innerlich. Und niemand fragt, warum.
Es gibt Kolleg*innen, die wirken hart. Abgeklärt. Abwesend. Sie sagen nichts mehr, wenn jemand stirbt. Sie streicheln keine Hände. Sie dokumentieren zügig, machen Übergabe knapp und arbeiten wie eine Maschine. Und oft wird dann getuschelt: „Die ist irgendwie kalt geworden.“ „Der ist völlig abgestumpft.“ „Wie kann man so gefühllos sein?“
Aber niemand fragt: Was hat sie so gemacht? Was schützt er da eigentlich? Was ist passiert – über Jahre, über Dienste, über stille, nicht beachtete Momente?
Die Wahrheit ist:
Wir frieren emotional ein, wenn wir zu oft gebrannt haben.
👉 Wenn wir zu viel gesehen, zu wenig verarbeitet, zu oft funktioniert haben.
👉 Wenn uns Nähe auf Dauer schmerzt, wird Distanz zur Überlebensstrategie.
👉 Wenn Schmerz nicht verarbeitet wird, wird er weggeschlossen.
👉 Wenn Menschlichkeit ständig Leistung sein muss, wird sie zur Last.
Emotionale Kälte ist kein Persönlichkeitsproblem.
Sie ist ein Symptom. Ein Symptom dafür, dass ein Beruf, der Nähe braucht, keine Zeit dafür lässt. Dass ein System, das Menschlichkeit fordert, Strukturen baut, in denen sie kaum noch Platz hat. Dass der Druck irgendwann stärker wird als das Mitgefühl.
Und ja – sie ist gefährlich.
Denn wenn niemand mehr fühlt, verliert Pflege ihren Sinn. Aber wer wirklich helfen will, darf nicht mit dem Finger auf Kolleg*innen zeigen, die innerlich auf Autopilot laufen. Man muss sie fragen: Wie lange hältst du das schon aus? Was brauchst du, um wieder zu fühlen – ohne zu zerbrechen?
Emotionale Kälte in der Pflege ist kein Versagen.
Sie ist ein Schutz. Und wie jeder Schutz verdient sie Verständnis. Denn hinter jedem "funktionierenden" Gesicht sitzt ein Mensch, der irgendwann einfach zu viel erlebt hat. Wer das erkennt, verurteilt nicht – sondern beginnt, Pflege wirklich zu verstehen.
Du erkennst dich wieder?
Dann bist du nicht falsch im Beruf.
Aber du darfst auf dich hören.
Du darfst Hilfe brauchen.
Du darfst fühlen.
Oder eben: gerade mal nicht.