Kommunikation in der Pflege - Teil 5: Kommunikation unter besonderen Bedingungen – Wenn Sprache zur Herausforderung wird

Veröffentlicht am 8. August 2025 um 20:00

In der Pflege ist Kommunikation ein unverzichtbares Mittel, um die Bedürfnisse von Patient*innen zu verstehen und auf sie einzugehen. Doch in einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft, in der Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten sowie mit verschiedensten gesundheitlichen Einschränkungen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern betreut werden, stößt die Kommunikation an ihre Grenzen. Dieser Artikel widmet sich daher zwei wesentlichen Aspekten der Kommunikation in der Pflege: Sprachbarrieren aufgrund neurologischer Erkrankungen und interkulturelle Kommunikation. Durch die vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Themen soll ein besseres Verständnis für die Herausforderungen und Lösungen in der Pflegepraxis gewonnen werden.

Sprachbarrieren in der Pflege: Neurologische Grundlagen der Aphasie

Die Aphasie – Was steckt dahinter?

Aphasie ist eine neurologische Sprachstörung, die meist nach einem Schlaganfall oder einer anderen Schädigung des Gehirns auftritt. Sie betrifft die Fähigkeit, Sprache zu verstehen, zu produzieren oder zu verwenden, obwohl die geistigen Fähigkeiten und die Kognition des Patienten weitgehend intakt bleiben können. Aphasie entsteht in der Regel, wenn bestimmte Bereiche des Gehirns durch Schlaganfälle, Tumore oder traumatische Verletzungen beeinträchtigt werden.

Die Sprachzentren im Gehirn befinden sich in der linken Hemisphäre. Zwei besonders wichtige Areale sind das Broca-Areal und das Wernicke-Areal. Diese Regionen sind für die Sprachproduktion und das Sprachverständnis zuständig. Wenn eines dieser Areale beschädigt wird, führt dies zu verschiedenen Formen der Aphasie.

 

Broca-Aphasie: Eine Störung der Sprachproduktion

Die Broca-Aphasie entsteht durch eine Schädigung des Broca-Areals, das sich im hinteren Teil des Frontallappens befindet. Menschen mit Broca-Aphasie haben Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen. Sie verstehen Sprache meist gut, aber ihre eigene Sprachproduktion ist stark beeinträchtigt. Ihre Sätze sind häufig kurz und grammatikalisch fehlerhaft. In vielen Fällen sprechen sie nur in einzelnen Wörtern oder sehr einfachen Satzstrukturen.

Beispiel: Ein Patient könnte sagen: „Ich... Wasser... trinken“, anstatt den vollständigen Satz zu bilden: „Ich möchte Wasser trinken“. Dieser Sprachstil ist oft für Pflegekräfte eine Herausforderung, da sie Geduld aufbringen müssen, um die Bedeutung zu verstehen.

 

Wernicke-Aphasie: Sprachverständnis und Bedeutung verloren

Im Gegensatz dazu führt eine Schädigung des Wernicke-Areals im hinteren Teil des Temporallappens zu der Wernicke-Aphasie, bei der die Sprachproduktion zwar relativ flüssig bleibt, aber die verwendeten Wörter keine Bedeutung haben. Patient*innen sprechen oft in einem sehr schnellen und fließenden Rhythmus, doch die Sätze sind semantisch unklar und inhaltlich unsinnig. Der Patient ist sich dessen meist nicht bewusst.

Beispiel: Ein Patient mit Wernicke-Aphasie könnte sagen: „Der Hund springt im Büro auf den Tisch und schaut auf das Telefon.“ Hier wird eine Vielzahl von Begriffen miteinander kombiniert, aber die Bedeutung bleibt unklar und nicht nachvollziehbar. Diese Art von Kommunikation stellt eine große Herausforderung dar, sowohl für Pflegekräfte als auch für das gesamte medizinische Team, da Missverständnisse unvermeidbar sind.

 

Globale Aphasie: Eine umfassende Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit

Die globale Aphasie ist eine besonders schwerwiegende Form der Aphasie, bei der sowohl das Broca- als auch das Wernicke-Areal betroffen sind. Hierbei sind sowohl die Sprachproduktion als auch das Sprachverständnis massiv eingeschränkt. Patient*innen mit globaler Aphasie sind oft nicht in der Lage, zu sprechen oder zu verstehen. In den meisten Fällen können sie höchstens vereinzelte Worte oder Sätze von sich geben, die jedoch keine sinnvolle Kommunikation ermöglichen.

Diese Patienten sind auf nonverbale Kommunikation angewiesen, um ihre Bedürfnisse auszudrücken. Die Pflegekräfte müssen in diesen Fällen besonders einfühlsam und geduldig agieren, um die Bedürfnisse der Patient*innen zu ergründen.

 

Neuropsychologische Grundlagen und Lösungen

Die Behandlung von Aphasie erfordert oft eine logopädische Therapie, bei der speziell ausgebildete Therapeuten mit den Patienten arbeiten, um deren Sprachfähigkeiten zu verbessern. Dies kann durch gezielte Übungen zur Wortfindung, Satzbildung oder auch durch den Einsatz von augmentativen und alternativen Kommunikationssystemen (AAC) erfolgen, wie zum Beispiel Kommunikationstafeln oder elektronischen Geräten mit Bildsymbolen. Diese Geräte ermöglichen es den Patient*innen, durch Zeigen oder Auswahl von Symbolen zu kommunizieren, was ihre Lebensqualität erheblich steigern kann.

Kommunikation mit Menschen mit Demenz: Kognitive Einschränkungen und ihre Auswirkungen

Was ist Demenz und wie beeinflusst sie die Kommunikation?

Demenz ist ein Überbegriff für eine Vielzahl von neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen die geistigen Fähigkeiten der Patient*innen fortschreitend abnehmen. Die bekannteste Form ist die Alzheimer-Demenz, bei der besonders das Arbeitsgedächtnis und die kognitiven Funktionen betroffen sind. Diese Erkrankung führt nicht nur zu Gedächtnisstörungen, sondern auch zu massiven Einschränkungen der sprachlichen Fähigkeiten.

Bei Alzheimer-Demenz können Patientinnen zunächst Schwierigkeiten haben, sich an alltägliche Wörter zu erinnern, später auch einfache Gespräche zu führen. Im fortgeschrittenen Stadium sind viele Patientinnen nicht mehr in der Lage, zusammenhängende Sätze zu bilden oder die Bedeutung von Wörtern zu verstehen.

 

Kognitive Veränderungen und Sprachprobleme bei Demenz

Mit zunehmendem Fortschreiten der Demenz sinkt die Fähigkeit, sich zu erinnern, Probleme zu lösen und komplexe Gedanken auszudrücken. Agrammatismus (Störung der Satzstruktur), Wortfindungsstörungen und Verständnisprobleme gehören zu den typischen Symptomen. In vielen Fällen sind Patient*innen mit Demenz zunehmend auf einfache, klare und wiederholte Kommunikation angewiesen.

Beispiel: Ein Patient mit fortgeschrittener Alzheimer-Demenz könnte den Namen seiner Kinder vergessen oder nicht mehr in der Lage sein, einfache Fragen zu beantworten, wie z. B. „Wie fühlen Sie sich?“. Stattdessen könnten sie unverständliche Laute von sich geben oder einfache Nonverbalität (z. B. durch Kopfnicken oder -schütteln) als Antwort nutzen.

 

Lösungsansätze in der Pflege

👉 Validationstherapie nach Naomi Feil: Diese Therapieform zielt darauf ab, die Gefühle und Wahrnehmungen von Demenzpatient*innen zu respektieren und zu bestätigen. Die Pflegekraft stellt keine Versuche an, die falsche Wahrnehmung der Realität zu korrigieren, sondern akzeptiert die inneren Erlebnisse des Patienten.

👉 Nonverbale Kommunikation: Bei fortgeschrittener Demenz wird nonverbale Kommunikation zunehmend wichtiger. Gesten, Mimik und Körperkontakt helfen, die emotionale Verbindung aufrechtzuerhalten. Einfühlsame Berührungen und Musik können das Wohlbefinden der Patient*innen fördern.

👉 Einfache Sprache und Wiederholung: Pflegekräfte sollten kurze, einfache Sätze verwenden und sich wiederholende Strukturen einsetzen. Bei Gesprächsversuchen ist es wichtig, dem Patienten Zeit zu geben und Geduld zu zeigen.

Interkulturelle Kommunikation in der Pflege: Brücken zwischen verschiedenen Kulturen bauen

 

Interkulturelle Kommunikation – Eine Herausforderung im Pflegealltag

Die interkulturelle Kommunikation in der Pflege ist besonders in multikulturellen Gesellschaften von Bedeutung. Pflegekräfte betreuen zunehmend Patient*innen, die aus verschiedenen kulturellen Kontexten kommen, was die Kommunikation auf eine neue Ebene hebt. In vielen Kulturen gibt es unterschiedliche Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Pflege. Auch der Umgang mit Pflegekräften ist in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich, was in der Praxis zu Missverständnissen führen kann.

Beispiel: In einigen asiatischen Kulturen wird der Arzt oder die Pflegekraft als Autoritätsperson gesehen, und Patienten könnten sich scheuen, ihre Wünsche oder Bedenken auszudrücken. In westlichen Kulturen hingegen ist die Patientenautonomie ein zentrales Prinzip.

 

Lösungsansätze für eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation

👉 Kulturelle Sensibilität und Schulung: Pflegekräfte sollten regelmäßig geschult werden, um ein Verständnis für die kulturellen Hintergründe ihrer Patientinnen zu entwickeln. Solche Schulungen fördern nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Vertrauen zwischen Pflegekräften und Patientinnen.

👉 Dolmetscher und Kommunikationstechnologie: In Fällen, in denen es sprachliche Barrieren gibt, können Dolmetscher oder mehrsprachige Kommunikationshilfen eingesetzt werden. Auch die Nutzung moderner Technologien, wie Übersetzungs-Apps oder digitale Kommunikationstafeln, kann in der Pflege eine wertvolle Unterstützung darstellen.

👉 Aktives Zuhören und offene Fragen: Pflegekräfte sollten besonders auf nonverbale Signale achten und gezielte Fragen stellen, um Missverständnisse zu vermeiden. Hierbei ist es wichtig, die kulturellen Gepflogenheiten des Patienten zu respektieren.

Fazit: Eine integrative Kommunikation für die Zukunft

Die Herausforderungen der Kommunikation in der Pflege – sei es durch neurologische Erkrankungen oder kulturelle Unterschiede – erfordern eine stetige Weiterbildung und Sensibilisierung der Pflegekräfte. Durch den Einsatz gezielter Kommunikationstechniken, Therapien und Schulungen können Barrieren überwunden werden, sodass Patient*innen, unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft oder ihrer neurologischen Verfassung, eine qualitativ hochwertige Pflege erfahren.

 

Verpasse keinen Teil der Serie „Kommunikation in der Pflege“

👉 Teil 1: Die unsichtbare Kunst, die alles verbindet

👉 Teil 2: Wie gute Kommunikation auch unter Zeitdruck gelingt

👉 Teil 3: Wenn Worte nicht mehr helfen – Nonverbale Kommunikation in der Pflege

 👉 Teil 4: Zuhören können – Die vergessene Stärke in der Pflege

 

Pflege ist wichtig - und du bist es auch!