Mikromomente in der Pflege – Kleine Gesten mit großer Wirkung

Veröffentlicht am 19. September 2025 um 20:00

Es sind nicht die großen Gesten, die den Pflegealltag tragen. Es sind die kleinen, scheinbar unscheinbaren Momente: ein Blick, ein Lächeln, eine sanfte Berührung. Momente, die oft nur Sekunden dauern, aber einen ganzen Tag verändern können – für Pflegebedürftige genauso wie für Pflegekräfte. In der Fachliteratur spricht man von „Mikromomenten“ – und in der Praxis sind sie das unsichtbare Goldstück gelingender Pflege.

Was sind Mikromomente?

Mikromomente sind kurze, bewusste oder unbewusste Interaktionen, die eine emotionale Resonanz auslösen. Es kann der Augenblick sein, in dem eine Pflegekraft kurz die Hand hält, während sie eine Spritze vorbereitet. Oder das gemeinsame Lachen über einen kleinen Scherz, während der Blutdruck gemessen wird.

Psycholog*innen wie Barbara Fredrickson haben gezeigt: Diese positiven Mikromomente stärken Beziehungen, reduzieren Stress und erhöhen das Gefühl von Sicherheit. In der Pflege heißt das: Sie schaffen Vertrauen, Würde und Nähe – genau das, was Betroffene am meisten brauchen.

Warum Mikromomente so wichtig sind

In einem oft hektischen Pflegealltag bleibt selten Zeit für lange Gespräche oder ausgedehnte Rituale. Umso wichtiger ist es, dass Pflegekräfte die Kunst der kleinen Augenblicke beherrschen.

👉 Für Pflegebedürftige: Mikromomente vermitteln, dass sie gesehen und ernst genommen werden – trotz körperlicher Einschränkungen oder Krankheit.

👉 Für Angehörige: Sie erleben, dass ihre Liebsten nicht nur „versorgt“, sondern wirklich als Menschen wahrgenommen werden.

👉 Für Pflegekräfte: Diese kurzen Begegnungen sind kleine „Tankstellen“ im Arbeitsalltag. Sie erinnern daran, warum Pflege mehr ist als Routine und Handgriff.

Positive Kommunikationsmomente fördern nicht nur die emotionale Stabilität, sondern wirken sich messbar auf die Pflegequalität aus.

Beispiele für Mikromomente im Pflegealltag

👉 Ein Lächeln: Auch wenn die Zeit knapp ist – ein Lächeln beim Betreten des Zimmers vermittelt: „Ich bin jetzt hier, für dich.“

👉 Namensnennung: Den Menschen beim Namen ansprechen, nicht „der Herr im Zimmer 4“. Das signalisiert Respekt und Individualität.

👉 Kleine Rituale: Ein Gute-Nacht-Satz, ein Handtuch so hinlegen, wie es der Patient mag, oder ein Lied summen beim Waschen.

👉 Berührungen mit Bedacht: Eine kurze, achtsame Berührung kann Vertrauen schaffen – vorausgesetzt, sie wird respektvoll eingesetzt.

👉 Aktives Zuhören: Auch wenn keine Zeit für lange Gespräche ist: eine halbe Minute echter Aufmerksamkeit kann Wunder wirken.

Die wissenschaftliche Perspektive

Pflege ist nicht nur eine Abfolge technischer Handlungen, sondern auch Beziehungsarbeit. Theorien wie die von Carl Rogers (Empathie, Akzeptanz, Authentizität) oder **Paul Watzlawick („Man kann nicht nicht kommunizieren“) **unterstreichen, wie sehr selbst kleinste Signale zählen.

Mikromomente sind deshalb keine „Nebensache“, sondern integraler Bestandteil professioneller Pflege. Sie stehen in direkter Verbindung zu Kernwerten wie Würde, Respekt und Menschlichkeit – die auch in den Expertenstandards des DNQP festgeschrieben sind.

Mikromomente als Haltung

Entscheidend ist nicht nur die einzelne Geste, sondern die innere Haltung. Wer in der Pflege arbeitet, wird schnell merken: Man kann nicht ständig große Gesten inszenieren. Aber man kann eine Grundhaltung der Achtsamkeit entwickeln, die Mikromomente überhaupt erst möglich macht.

Das bedeutet:

✅ Sich auf die Person einlassen, auch wenn es nur für Sekunden ist.

✅ Routinen nicht mechanisch abarbeiten, sondern bewusst gestalten.

✅ Den Mut haben, auch Humor und Leichtigkeit in den Alltag zu bringen.

Fazit

Mikromomente sind wie kleine Inseln im Meer der Pflege: unscheinbar, aber lebenswichtig. Sie machen aus reiner Versorgung echte Beziehungspflege. Sie schenken Vertrauen, Stabilität und Freude – und erinnern Pflegekräfte daran, dass ihr Beruf zutiefst menschlich ist.

Die Botschaft lautet: Pflegequalität entsteht nicht nur durch Standards und Technik. Sie entsteht im Augenblick – im kurzen Lächeln, in der unerwarteten Geste, im ehrlichen Blick.

Pflege ist wichtig - und du bist es auch!