
In der Pflege ist Empathie eine der zentralen Eigenschaften. Sie ermöglicht es dir, dich in die Lage deiner Patient:innen zu versetzen, mitfühlend zu handeln und emotionalen Beistand zu leisten. Empathie ist jedoch nicht nur entscheidend für die Qualität der Pflege, sondern auch für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen dir und den Menschen, die du betreust. Doch während du jeden Tag deine ganze Energie in die Fürsorge für andere steckst, wird oft das eigene Wohl vergessen. Selbstempathie, die Fähigkeit, mit sich selbst genauso mitfühlend umzugehen wie mit anderen, ist daher ein ebenso wichtiger, aber oft vernachlässigter Aspekt der Pflege.
In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, wie du als Pflegekraft Empathie für dich selbst entwickeln kannst – ohne dich schuldig zu fühlen – und warum dies entscheidend ist, um im Beruf langfristig gesund und erfüllend arbeiten zu können.
Was ist Selbstempathie und warum ist sie so wichtig?
Selbstempathie bedeutet, deine eigenen Gefühle, Bedürfnisse und inneren Reaktionen ohne Urteil wahrzunehmen und ihnen mit Mitgefühl zu begegnen. Es geht darum, sich selbst die gleiche Fürsorge und Aufmerksamkeit zu schenken, die du anderen entgegenbringst. Es ist die Fähigkeit, sich selbst in Momenten der Erschöpfung, des Zweifels oder der Frustration nicht zu verurteilen, sondern Verständnis für die eigenen emotionalen Zustände zu entwickeln.
Im Pflegeberuf bist du täglich mit einer Vielzahl von emotionalen und physischen Belastungen konfrontiert. Du musst auf die Bedürfnisse anderer eingehen, sei es körperlich oder emotional, und dabei selbst oft zurückstecken. Doch wenn du keine Rücksicht auf deine eigenen Bedürfnisse nimmst, setzt du dich einem erhöhten Risiko aus, zu erschöpfen, emotional auszubrennen oder sogar an deiner Fähigkeit zu leiden, weiterhin mitfühlend zu handeln.
Selbstempathie hilft dir, deine eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren, ohne dich schuldig zu fühlen. Sie ermöglicht es dir, die eigene Belastung anzuerkennen, um dich selbst zu unterstützen und zu regenerieren, anstatt dich in einem ständigen Kreislauf von Erschöpfung und Selbstvernachlässigung zu verlieren.
Die Symbiose von Empathie und Selbstempathie: Ein Balanceakt
Es ist kein Geheimnis, dass der Pflegeberuf von ständiger Fürsorge für andere geprägt ist. Die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuversetzen und sich um ihre physischen und emotionalen Bedürfnisse zu kümmern, ist eine der zentralen Eigenschaften einer guten Pflegekraft. Doch was passiert, wenn diese Empathie nicht durch Selbstempathie ergänzt wird?
Der Schlüssel zu einer gesunden Pflegepraxis liegt in der Balance. Empathie ohne Selbstempathie kann zu Erschöpfung und emotionalem Burnout führen. Wenn du dich ständig für andere aufopferst und dabei deine eigenen Bedürfnisse ignorierst, verliert deine Empathie an Kraft. Du wirst vielleicht feststellen, dass du nicht mehr in der Lage bist, mit der gleichen Hingabe für deine Patient:innen zu sorgen, weil du selbst erschöpft und ausgelaugt bist.
Daher ist es wichtig, dass du Selbstempathie in deine tägliche Praxis integrierst. Dies bedeutet nicht, weniger empathisch zu sein, sondern deine eigene emotionale Gesundheit zu achten, damit du weiterhin mitfühlend handeln kannst, ohne dabei deine eigenen Bedürfnisse zu opfern. Empathie und Selbstempathie sollten sich gegenseitig verstärken, nicht konkurrieren.
Die Herausforderungen der Selbstempathie im Pflegealltag
Für Pflegekräfte ist es oft eine Herausforderung, Selbstempathie zu entwickeln. Dies liegt zum Teil an den Anforderungen des Berufs und der eigenen inneren Haltung gegenüber Fürsorge und Verantwortung.
Verantwortungsgefühl und Pflichtbewusstsein: Pflegekräfte sind häufig von einem starken Pflichtbewusstsein getrieben. Der Drang, „immer für andere da zu sein“, führt dazu, dass die eigenen Bedürfnisse leicht in den Hintergrund rücken. Viele Pflegekräfte fühlen sich schuldig, wenn sie sich um sich selbst kümmern – sie haben das Gefühl, ihre Zeit „für etwas anderes“ verwenden zu müssen.
Hohes Arbeitspensum und emotionale Belastung: Der Pflegealltag ist von hoher Belastung geprägt. Schichtdienste, emotionale Dringlichkeit und körperlich anstrengende Tätigkeiten führen dazu, dass wenig Raum für Selbstreflexion oder Erholung bleibt. Pausen werden oft auf ein Minimum reduziert, und viele Pflegekräfte nehmen sich nicht die Zeit, ihre eigenen Gefühle zu hinterfragen oder anzuerkennen.
Gesellschaftlicher Druck und das Bild der „idealisierten Pflegekraft“: In vielen Kulturen gibt es das Bild der „selbstlosen Pflegekraft“, die ihre Bedürfnisse stets hinter denen der Patient:innen stellt. Das führt dazu, dass Pflegekräfte sich selbst als „unwichtig“ empfinden und ihre eigene Fürsorge als nachrangig betrachten.
Doch genau diese Denkweise führt auf lange Sicht zu einem physischen und emotionalen Burnout. Selbstempathie ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um in diesem anspruchsvollen Beruf langfristig gesund zu bleiben.

Wie du Selbstempathie in deinen Pflegealltag integrierst
Selbstempathie ist keine „einmalige“ Praxis, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Hier sind einige grundlegende Schritte, wie du Selbstempathie in deinen Pflegealltag integrieren kannst:
👉 Achtsamkeit für deine eigenen Bedürfnisse entwickeln
Der erste Schritt zur Selbstempathie ist, sich bewusst zu machen, was du wirklich brauchst. Dein Körper und Geist senden dir laufend Signale, ob du müde, hungrig, gestresst oder überfordert bist. Doch oft ignorierst du diese Signale im Eifer des Gefechts.
ℹ️ Tipp: Mache regelmäßig kleine „Check-ins“ mit dir selbst. Frag dich: „Wie fühle ich mich gerade? Was brauche ich jetzt?“ Diese kurze Reflexion kann dir helfen, deine eigenen Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln.
👉 Mitfühlend mit dir selbst umgehen
Wenn du merkst, dass du erschöpft oder frustriert bist, anstatt dich dafür zu verurteilen, praktiziere Mitgefühl mit dir selbst. Erinnere dich daran, dass es menschlich ist, nicht immer „perfekt“ zu sein, und dass du genauso Fürsorge und Liebe verdienst wie deine Patient:innen.
ℹ️ Tipp: Verwende beruhigende Selbstgespräche, um deine Gefühle zu validieren. Sätze wie „Es ist okay, dass ich mich jetzt überfordert fühle“ oder „Ich habe heute mein Bestes gegeben, und das ist genug“ können dir helfen, dich selbst zu beruhigen und Druck abzubauen.
👉 Gesunde Grenzen setzen
Wie im vorherigen Artikel über das Setzen von Grenzen bereits erwähnt, ist es für Pflegekräfte entscheidend, ihre eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren. Du musst nicht immer alles tun und für alle da sein. Grenzen zu setzen bedeutet nicht, weniger empathisch zu sein, sondern für dich selbst zu sorgen, um langfristig für andere sorgen zu können.
ℹ️ Tipp: Lerne, „Nein“ zu sagen, wenn du merkst, dass du emotional oder körperlich überfordert bist. Es ist in Ordnung, um Hilfe zu bitten oder eine Aufgabe abzulehnen, wenn du spürst, dass sie deine eigenen Ressourcen übersteigt.
👉 Regelmäßige Pausen und Auszeiten
In der Pflege gibt es oft wenig Raum für Pausen. Doch Pausen sind essenziell, um sich emotional und körperlich zu regenerieren. Achte darauf, dass du regelmäßig kurze Pausen in deinen Arbeitstag einbaust. Diese Auszeiten helfen dir, dich zu erholen und wieder mit frischer Energie und Empathie an deine Arbeit zurückzukehren.
ℹ️ Tipp: Nutze kurze Pausen für kleine Achtsamkeitsübungen, Atemtechniken oder einfach für eine Tasse Tee. Diese Momente der Ruhe können deine Resilienz stärken und dir helfen, wieder in den Moment zurückzufinden.
👉 Hilfe suchen, wenn du sie brauchst
Selbstempathie bedeutet auch, dass du erkennst, wenn du Unterstützung benötigst. Das könnte durch kollegiale Gespräche, Supervision oder Coaching geschehen. Es ist keine Schwäche, um Hilfe zu bitten, sondern ein Zeichen von Selbstfürsorge und Weitsicht.
ℹ️ Tipp: Nutze professionelle Unterstützung, wenn du das Gefühl hast, dass du die emotionalen Herausforderungen des Berufs nicht allein bewältigen kannst. Es gibt viele Ressourcen, die dir helfen können, deine emotionale Gesundheit zu bewahren.

Warum Selbstempathie dein gesamtes Berufsleben verändern kann
Selbstempathie ist der Schlüssel, um den Pflegeberuf langfristig mit Freude und Energie auszuüben. Sie ermöglicht es dir, empathisch zu sein, ohne dich selbst zu verlieren. Mit einer gesunden Balance zwischen Empathie für andere und Selbstempathie kannst du nicht nur deine eigene Lebensqualität verbessern, sondern auch die Qualität deiner Arbeit steigern.
Wenn du dich selbst achtest, kannst du als Pflegekraft nicht nur emotional stabil bleiben, sondern auch deine Beziehungen zu den Patient:innen verbessern und als Vorbild für andere im Team fungieren. Selbstempathie ist daher nicht nur eine individuelle Praxis, sondern auch ein Beitrag zur Förderung eines respektvollen, mitfühlenden Arbeitsumfelds.
Fazit
Selbstempathie ist keine Option, sondern eine essentielle Praxis, die jede Pflegekraft in ihren Alltag integrieren sollte. Sie ist der Schlüssel zu emotionaler Resilienz, einem nachhaltigen Engagement und der Fähigkeit, langfristig in einem anspruchsvollen Beruf wie der Pflege zu arbeiten, ohne auszubrennen. Indem du lernst, für dich selbst genauso mitfühlend zu sein wie für die Menschen, die du betreust, schaffst du nicht nur Raum für deine eigene Heilung und Regeneration, sondern auch für eine bessere Qualität der Pflege.
Selbstempathie bedeutet nicht, sich von der Fürsorge für andere abzuwenden, sondern im Gegenteil, sie stärkt deine Fähigkeit, anderen auf tiefere und nachhaltigere Weise beizustehen. Indem du auf dich achtest, setzt du die Grundlage dafür, weiterhin als empathische und engagierte Pflegekraft zu arbeiten – ohne deine eigene Gesundheit und dein Wohl zu gefährden.